Kontakt:                                                                                                                                                             dneitzert@rz-online.de
Altwieder Str. 55
56566 Neuwied-Oberbieber                                  
                                               Dr. Lutz Neitzert




 
                                 NEUWIEDER & WESTERWÄLDER
                                       GESTALTEN !

              

                                               Manuskripte  zu Hörfunksendungen:

                                 
                           Carl EinsteiN

        - Der Kubismus, die Schlimme Botschaft  

                                        und der Blutige Ernst -    

        (geb. 1885 in Neuwied - gest. 1940)

          - Schriftsteller, Dadaist, Kubist,
          Avantgardist, Anarchist & Antifaschist  !



Friedrich Wolf
               

   - Dr. Isegrim :  
     Der Wolf,   ein Vegetarier -   

            (geb. 1888 in Neuwied - 1953)
- Schriftsteller, Kommunist & Arzt !                                                                         



                    Paul Deussen                       

                 -  Ein Westerwälder und  die Weisheit des Ostens -   

                                   (geb. 1845 in Oberdreis - gest. 1919)  -

                              Philosoph, Indologe & Nietzsches Freund !


Prinz Max zu Wied         

      - Winnetou und die
           Caatinga-Maus -
                

  (1782 - 1867)
- Weltreisender, Naturkundler
                    & "Indianerforscher" !

                                                     

            Clemens Wilmenrod                                                                                                     
                    - Der Schürzenjäger  und das päpstliche Huhn -   

                                                    
           
(geb. 1906 in Oberzeuzheim/Westerwald - gest. 1967)

         - Der erste deutsche Fernsehkoch
          und Schöpfer des "Toast Hawaii" !


 
Friedrich Wilhelm Raiffeisen
und die "Euterpier"
               

                                
 



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        Allerlei Löbliches & Despektierliches über Neuwied am Rhein:                                                                              
 
"Diese freundliche Stadt, erbaut auf einen von Bergen umstellten Raum,
ist uns wegen der Altertümer merkwürdig, welche man daselbst gefunden hat und findet !"

(1774 Johann Wolfgang G. / Frankfurt am Main)

                              
Kupferarsenitacetat     Cu(CH3COO)2 · 3 Cu(AsO2)2
Als Malerfarbe (Paul Gaugin hat es in seinen Bildern oft verwendet), als Insektizid ist "Neuwieder Grün" in Deutschland seit 1882 verboten und es besteht der Verdacht, daß Napoleon, dessen Haus auf St. Helena damit gestrichen war, sich dadurch eine tödliche Dosis Arsen eingehandelt haben könnte !
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"Im Jahr 1968 machten die deutschen Studenten bekanntlich eine Revolution. Ich habe damals in einer Bimsfabrik in NEUWIED gearbeitet und konnte deshalb leider nicht daran teilnehmen. 
Ich habe aber immerhin den Vorschlag gemacht, daß man der Hochkultur möglichst viel Geld wegnehmen und daß man damit das Bier subventionieren soll. 
Aber die Sozialdemokraten waren wie immer dagegen !"
                                                                     (PETER TURRINI)

"Man hat dort die besten französischen Möbel geschreinert und der Portwein der Herrnhuter...war eine gute Sache!
Dies Herrnhuter Viertel war rational und totenstill, geometrisch wie eine alte Jungfer. Die weißen Fenster blieben geschlossen, niemand schaute heraus, pedantisches Empire verbarg große Gärten, worunter mitunter eine weiße Haube lugte. Die Kirche war kahl wie ein Operationssaal – Gott als weißes Quadrat!..."   
(CARL EINSTEIN)


"Von Koblenz fuhren wir nach Neuwied, und besahen dort das Brüderhaus der Herrnhuter, nebst den mancherlei Werkstätten dieser fleißigen und geschickten Gesellschaft. Ihre Kirche ist ein einfaches, helles Gebäude, das mir recht gut gefiel..."
(GEORG FORSTER)

"...Der Pöbel wohnte im `Kleinen Frankreich´ - ebenso die Stadtverrückten. Dort hing Wäsche und die Mädchen gingen auf die Rabeninsel am Rhein. Man erzählte Schauerliches !... 
Am `Kleinen Frankreich´ vorbei, woraus hie und da ein Stein oder Fluch in die Schloßstraße flogen, ging man ins Fürstliche, beschaute idiotische Schloßpfauen und saß an der Rheinspitze, die den Fluß zerschnitt!"      (CARL EINSTEIN)
          
Wiedomys Pyrrorhinus           Leopardus Wiedi                          Bothrops Neuwiedi
                                                 Tiere benannt nach Prinz Max zu Wied !
 
 


 

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JOHANN PETER HEBEL:
"DIE BEKEHRUNG (aus dem "Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes")
Zwei Brüder im Westfälinger Land lebten miteinander in Frieden und Liebe, bis einmal der jüngere lutherisch blieb, und der ältere katholisch wurde. Als der jüngere lutherisch blieb und der ältere katholisch wurde, taten sie sich alles Herzeleid an. Zuletzt schickte der Vater den katholischen als Ladendiener in die Fremde. Erst nach einigen Jahren schrieb er zum erstenmal an seinen Bruder. `Bruder´, schrieb er, `es geht mir doch im Kopf herum, daß wir nicht einen Glauben haben, und nicht in den nämlichen Himmel kommen sollen, vielleicht in gar keinen. Kannst du mich wieder lutherisch machen, wohl und gut, kann ich dich katholisch machen, desto besser. `Also beschied er ihn in den Roten Adler nach NEUWIED, wo er wegen einem Geschäft durchreiste. `Dort wollen wir's ausmachen!´ In den ersten Tagen kamen sie nicht weit miteinander. Schalt der Lutherische: `Der Papst ist der Antichrist´, schalt der Katholische: `Luther ist der Widerchrist.´ Berief sich der Katholische auf den heiligen Augustin, sagte der Lutherische: `Ich hab nichts gegen ihn, er mag ein gelehrter Herr gewesen sein, aber beim ersten Pfingstfest zu Jerusalem war er nicht dabei.´ Aber am Samstag aß schon der Lutherische mit seinem Bruder Fastenspeise. `Bruder´, sagte er, `der Stockfisch schmeckt nicht giftig zu den durchgeschlagenen Erbsen´; und abends ging schon der Katholische mit seinem Bruder in die lutherische Vesper. `Bruder´, sagte er, `euer Schulmeister singt keinen schlechten Tremulant.´ Den andern Tag wollten sie miteinander zuerst in die Frühmesse, darnach in die lutherische Predigt, und was sie alsdann bis von heut über acht Tage der liebe Gott vermahnt, das wollten sie tun. Als sie aber aus der Vesper und aus dem grünen Baum nach Hause kamen, ermahnte sie Gott, aber sie verstanden es nicht. Denn der Ladendiener fand einen zornigen Brief von seinem Herrn: `Augenblicklich setzt Eure Reise fort. Hab ich Euch auf eine Tridenter Kirchenversammlung nach Neuwied geschickt, oder sollt Ihr nicht vielmehr die Musterkarte reiten?´ Und der andere fand einen Brief von seinem Vater: `Lieber Sohn komm heim sobald du kannst, du mußt spielen.´ Also gingen sie noch den nämlichen Abend unverrichteter Sachen auseinander, und dachten jeder für sich nach was er von dem andern gehört hatte. Nach sechs Wochen schreibt der jüngere dem Ladendiener einen Brief: `Bruder, Deine Gründe haben mich unterdessen vollkommen überzeugt. Ich bin jetzt auch katholisch. Den Eltern ist es insofern recht. Aber dem Vater darf ich nimmer unter die Augen kommen.´ Da ergriff der Bruder voll Schmerz und Unwillen die Feder: `Du Kind des Zorns und der Ungnade, willst du denn mit Gewalt in die Verdammnis rennen, daß du die seligmachende Religion verleugnest? Gestrigen Tags bin ich wieder lutherisch worden.´ Also hat der katholische Bruder den lutherischen bekehrt, und der lutherische hat den katholischen bekehrt, und war nachher wieder wie vorher, höchstens ein wenig schlimmer!"

Dumm gelaufen!

Ein Jahrhundert später fand auch ein anderer Literat, Luigi Pirandello, in seiner todtraurigen Novelle "Natale sul Reno" ("Weihnachten am Rhein") in Neuwied den idealen Schauplatz – für einen Selbstmord!

"Weihnachten wurde seit zwei Jahren im Hause L*** nicht mehr gefeiert,
als Zeichen der Trauer über den gewaltsamen Tod des zweiten Mannes der Frau Alvina... Herr Fritz L*** hatte sich nach einem unordentlichen Leben durch einen Revolverschuß in die Schläfe umgebracht, in Neuwied, am rechten Ufer des Rheins... Es geht der Ruf, daß man sich (dort), besser als an jedem anderen Ort der Rheingegend, des Sonnenaufgangs erfreuen kann.  `Ich habe alles erlebt´, hieß es im Abschiedsbrief an seine Gemahlin, `außer einer einzigen Sache; in den vierzig Jahren meines Lebens habe ich nie die Sonne aufgehen sehen. Ich werde (also) morgen diesem Schauspiel vom Ufer aus beiwohnen... Ich werde die Sonne aufgehen sehen, und beim Kuß des ersten Sonnenstrahls werde ich mein Leben beschließen!´"
 


 
Norbert Blüm: "In NEUWIED fuhr der Zug langsam und quietschend auf dem Bahnsteig 1 ein.
Alle hingen am Fenster mit der Frage: `Wie steht's?´
Aber bevor die Frage gestellt werden konnte, schallte es aus dem Bahnhofslautsprecher nicht wie üblich:
`Neuwied, Neuwied - hier ist Neuwied´, sondern triumphierend:
`Deutschland ist Weltmeister´!"
 Diese Anekdote u.v.v.a.m. auch in:
 
 Lutz Neitzert: 
 DIE FRÜHEN JAHRE DES FUSSBALLS 
 Ein Spiel entsteht und 
 Fusslümmel erobern Neuwied
(Verlag Peter Kehrein)

KNIGGE in NEUWIED  
Am 24. Juni des Jahres 1782 betrat ein recht seltsamer Herr den verrufensten Ort der Stadt Neuwied. Gerade 30 Jahre alt und an der Schwelle zur Berühmtheit, doch bereits unübersehbar gezeichnet von Krankheit und Auszehrung. Den Kopf angefüllt mit den menschheitsbeglückenden Idealen der Aufklärung, mit politischen Umsturzplänen und einem ganzen Sortiment wunderlicher Spinnereien. Eine Person voller Widersprüche und doch mit festen Vorsätzen und Lebenszielen, ein Mann mit fixen Ideen und doch auch mit einer wachen Vernunft. Sein Name: ADOLPH FRANZ LUDWIG FRIEDRICH FREIHERR VON KNIGGE. Dieser sonderbare Zeitgenosse also stattete an jenem Sommertag der Fürstenresidenz am Rhein einen Besuch ab. Und dabei führte ihn sein Weg zum Schloß Friedrichstein, zum "Teufelsschloß" bei Fahr. Am Fuß der Hohen Ley 1646 aus Anlaß der Stadtgründung von Graf Friedrich zu Wied erbaut, doch nur kurze Zeit von der Fürstenfamilie bewohnt (unzufrieden mit den Baulichkeiten zog man bald in das neue Stadtschloß), rankten sich binnen kurzer Zeit ungezählte Legenden um das immer mehr verfallende Gemäuer. (Heute erinnert so gut wie nichts mehr an den geschichtsträchtigen Ort. Seit 1868 führen darüber hinweg die Geleise der Deutschen Bundesbahn.) Jedenfalls ist anzunehmen, daß Knigge sich damals auch dort umgetan hat. Seit 1780 gehörte ein Teil des Schlosses der Neuwieder Freimaurerloge "Karoline zu den drei Pfauen" (neben ihrem Ordenshaus in der Kirchstraße). Und Knigge kam nicht als Tourist, sondern er fuhr als Emissär zu Verhandlungen mit eben jenen Logenbrüdern (darunter Graf zu Stolberg-Roßla und der Schriftsteller Ludwig Ysenburg von Buri). Sein (erfolgreich erledigter) Auftrag war die Überführung der Neuwieder Freimaurerei in den neugegründeten Orden der "Illuminaten", dessen aktivster Propagandist und Proselytenmacher er in jenen Jahren gewesen ist. Geboren vor 240 Jahren, am 16. Oktober 1752, auf einem Gut in Bredenbeck unweit Hannover, hatte der junge Knigge von seinem Vater nichts weiter geerbt als einen imposanten Schuldenberg, dazugehörig eine Horde geldgieriger Gläubiger, und eine höfische Erziehung, die ihm auf seinem späteren Lebenswege eher hinderlich und peinlich als nützlich sein sollte. (In jenem Jahr 1782 wurde in Weimar ein gewisser Johann Wolfgang Goethe in den Adelsstand eines von Goethe erhoben, während Knigge wohl auch in Neuwied keine Gelegenheit ausließ, sich gerade von seinem angeborenen "von" ausdrücklich zu distanzieren. So pflegte er etwa seine Briefe nicht mit "Freiherr von Knigge" zu unterzeichnen, sondern er schrieb: "Der freie Herr Knigge"! Alles, was er in seinem Leben unternommen hat, begann mit einem vielversprechenden Höhenflug und endete regelmäßig in der Tinte. Als 19jähriger startete er in der Residenz des Landgrafen von Kassel zu einer höfischen Laufbahn comme il faut. Erste Erfolge stellten sich schon bald ein, nichts schien sein weiteres Fortkommen zu hindern und schließlich erreichte er als Leiter der fürstlichen Meerschaumpfeifenmanufaktur und Planungsbeauftragter für den Zichorieanbau einen ersten Karrieregipfel. Doch dann zogen unvermittelt dunklere Wolken auf über Junker Knigge und er geriet in das unheilvolle Gespinst höfischer Intrigen. Vor allem hatte er den verhängnisvollen Fehler begangen, die Fürstin, welche offenbar Gefallen gefunden hatte an dem jungen lebhaften Hannoveraner, zurückzuweisen. "Ich trat als ein sehr junger Mensch, beinahe noch als ein Kind, schon in die große Welt und auf den Schauplatz des Hofes. Mein Temperament war lebhaft, unruhig, bewegsam, mein Blut warm; die Keime zu mancher heftigen Leidenschaft lagen in mir verborgen; ich war in der ersten Erziehung ein wenig verzärtelt... und man hatte mich nicht zu jener Geschmeidigkeit vorbereitet, derer ich bedurfte, um, unter mir ganz fremden Leuten, in despotischen Staaten große Fortschritte zu machen... Ein einziger unbesonnener Schritt..., durch welchen sich der Ehrgeiz und die Eitelkeit eines Weibes gekränkt hielten..., war Schuld daran, daß ich nachher allerorten, wo mein Schicksal mich nötigte, Schutz und Glück zu suchen, Widerstand... fand. Wirklich sollte man es kaum glauben, welche Mittel solche Furien ausfindig zu machen wissen, einen ehrlichen Mann, von dem sie sich beleidigt glauben, zu martern, zu verfolgen; wie unauslöschlich ihr Haß ist; zu welch niedrigen Mitteln sie ihre Zuflucht nehmen!" Er verlor die Gunst seines Brotherren und verließ das "sibirisch kalte" Kassel schließlich gedemütigt und mit ungewissen Aussichten. Vollständig desillusioniert nach einem ähnlich glücklos verlaufenden Gastspiel in Diensten des hessischen Erbprinzen in Hanau, beschloß er, in Zukunft sich auf die Seite jener zu schlagen, die am Vorabend der bürgerlichen Revolution gegen die menschenverachtende Fürstenherrschaft aufbegehrten. Im Namen der Freiheit-Gleichheit-Brüderlichkeit. Infiziert mit solchen Ideen schon während seines Jurastudiums in Göttingen (dort als Zimmernachbar G. Chr. Lichtenberg's), suchte er ein angemessenes Wirkungsfeld für seine neue Weltanschauung. Er glaubte es schließlich gefunden zu haben im geheimen Bund der Freimaurer. Hier erhoffte er sich einen Zusammenschluß redlicher, fortschrittlich gesonnener Bürger, die im Geiste der Aufklärung und verborgen vor dem Zugriff der fürstlichen Gewalt für eine Veränderung der Gesellschaft arbeiten, missionieren und streiten wollten. Nebenbei widmete er sich, halb im Ernst, halb im Spaß, der Suche nach dem vielbeschworenen "Stein der Weisen" und in allerlei abstrusen alchimistischen Experimenten der Kunst des Goldmachens. (Letzteres hatte schon sein Vater betrieben, mit wenig Erfolg, wie die hinterlassenen Schulden schlagend beweisen.) Wie viele seiner Zeitgenossen, so sah auch Knigge keinen Widerspruch zwischen Mystik und Vernunft. Vielmehr suchte er die kühl rationale Einsicht in den Lauf der Welt durch allerlei nervenkitzelndes Zeremonium zu beflügeln. Mit der traditionellen Freimaurerei wurde er bald schon unzufrieden und so schloß er sich 1780 dem (vorgeblich uralten, in Wirklichkeit jedoch erst 1776 von Adam Weishaupt in Ingolstadt gegründeten) Orden der "Illuminaten" an. Diese geheime Verbindung zählte bald schon eine illustre Reihe berühmter Mitglieder: Herder, Pestalozzi, Herzog Karl-August von Weimar gehörten dazu, ebenso der unvermeidliche Goethe und vermutlich auch Schiller. Unter dem Ordensnamen "Philo" wurde Knigge bald zum rührigsten Aktivisten des Bundes. Und in dieser Eigenschaft weilte er, wie gesagt, im Sommer 1782 auch in Neuwied. Doch die Ordensgeschäfte, die er mit wahrem Feuereifer betrieb, wuchsen ihm immer mehr über den Kopf und brachten ihn an den Rand körperlicher und geistiger Erschöpfung. Zudem mußte er erkennen, daß selbst eine Bruderschaft mit solch hehren und untadeligen Zielen nicht gefeit ist gegen Mißgunst, Eitelkeiten und Dummheit. Aufgerieben in internen Machtkämpfen, vor allem mit dem Ordensgründer Weishaupt, zog er sich ein Jahr später von allen Ämtern zurück. 1788 schreibt er: "Es möchte doch wohl nun endlich einmal Zeit sein, diese teils zwecklosen, törichten, teils dem gesellschaftlichen Leben gefährlichen Bündnisse aufzugeben... Unnütz sind solche Verbindungen von seiten ihrer Wirksamkeit, weil sie sich mit elenden Kleinigkeiten und abgeschmackten Zeremonien beschäftigen,... nach schlecht durchdachten Plänen handeln, unvorsichtig in der Wahl ihrer Mitglieder sind und folglich bald ausarten!" Er beschließt, seinen Lebensunterhalt fortan als Schriftsteller zu bestreiten und man kann ihn tatsächlich als einen der allerersten Berufsschriftsteller deutscher Zunge bezeichnen. Wie alles, was er je im Leben begonnen hat, so startete er auch in die Buchproduktion mit wahrer Arbeitswut. Buch auf Buch erschien und nicht wenige davon wurden zu wirklichen Bestsellern:
"Roman meines Lebens", "Die Geschichte Peter Clausens", "Joseph von Wurmbrandts politisches Glaubensbekenntnis mit Hinsicht auf die Französische Revolution", "Des seligen Etatsrats Samuel von Schaafskop hinterlassene Papiere", "Die Reise nach Braunschweig" (u.v.v.m.). Er bediente alle literarischen Modegattungen von der Autobiographie über den Reisebericht, den Schelmenroman, die politische Satire bis zur philosophisch-wissenschaftlich-moralischen Erbauungsschrift. Nebenbei dilettierte er als Theaterleiter und als Komponist (eines Konzertes für Solo-Fagott). Er schreibt viel, zuviel, wie die Literaturkritiker naserümpfend monierten und wie er auch selbst eingestand. Dabei bediente er die Lesewünsche eines Massenpublikums nach spannenden, humorvollen Erzählungen, blieb jedoch seinen aufklärerischen Idealen immer treu. Knigge's Trivialromane sind verfaßt in stilsicherer, eleganter Prosa und durchtränkt von moralischen Grundsätzen und Lebensweisheiten - ein früher Ahne des Johannes Mario Simmel. Immer gut für einen Skandal waren seine (oft unter Pseudonym veröffentlichten) politischen Flugschriften und Pamphlete. Etwa die "Sechs Predigten gegen Despotismus, Dummheit, Aberglauben, Ungerechtigkeit und Müßiggang", in denen er an die Adresse der Fürsten gerichtet schreibt: "Zittert, daß nicht der Versucher über euch komme, daß nicht der Reiz der Herrschsucht, der Glanz der Hoheit... eure Augen verblenden und ihr, uneingedenk eurer hohen Bestimmung, die Henker unschuldiger Menschen werden möget. Zittert und vergeßt nicht, daß das Seufzen der Unterdrückten bis vor den höchsten Thron der Gerechtigkeit dringt!" Er lebte also, mehr schlecht als recht, von den Einkünften aus seinen Büchern, und so machten ihm insbesondere die vielen Raubdrucke seiner Schriften sehr zu schaffen. Aus diesem Grunde drohte er mit der Herausgabe eines Buches unter dem Titel "Diebschronik oder Sammlung von Lebensbeschreibungen und Bildnissen der berühmtesten deutschen Nachdrucker". 1788 erschien dann jenes Werk, welches bis heute seinen Ruhm begründet hat: "Über den Umgang mit Menschen". Egon Friedell spricht davon als dem "berühmtesten Buch der deutschen Aufklärung, welches durchaus verdient, noch heute von jedermann zitiert zu werden, und durchaus nicht verdient, von nahezu niemandem mehr gelesen zu werden". Wer sich einmal die Mühe und das Vergnügen macht, diesen oft bemühten, aber offensichtlich nie studierten Text wirklich zu lesen, der wird überrascht sein, darin kein Wort von all dem zu finden, was man gemeinhin mit dem Namen KNIGGE in Verbindung bringt. Kein Wort über den stilvollendeten Handkuß oder den angemessenen Werkzeuggebrauch beim Verzehr toter Fische und dergleichen. Stattdessen ist es ein Ratgeber für ein der Vernunft gemäßes, ruhiges, nützliches und erfülltes Leben unter sympathischen wie auch unsympathischen und übelwollenden Mitmenschen. Knigge war sich dessen bewußt, daß seine eigene Biographie ihn nicht gerade als einen Meister in dieser Kunst auswies, und so heißt es denn im Vorwort: "Aber habe ich denn wohl auch Beruf, ein Buch über die Kunst des Umgangs mit Menschen zu schreiben, ich, der ich in meinem Leben vielleicht sehr wenig von diesem Geiste gezeigt habe? Ziemt es mir, Menschenkenntnis auszukramen, da ich oft ein Opfer der unvorsichtigsten... Hingebung gewesen bin?... Lasset doch sehn, meine Freunde! was sich darauf antworten läßt? Habe ich widrige Erfahrungen gemacht, die mich von meiner eigenen Ungeschicklichkeit überzeugt haben - desto besser! Wer kann so gut vor der Gefahr warnen, als der, welcher darin gesteckt hat?... Übrigens werden vielleicht wenig Menschen in einem so kurzen Zeitraume in so manche sonderbare Verhältnisse mit andern Menschen aller Art geraten als ich seit ungefähr zwanzig Jahren; und da hat man denn schon Gelegenheit,... Bemerkungen zu machen und vor Gefahren zu warnen, die man selbst nicht hat vermeiden können!" Er behandelt in 26 Kapiteln das angemessene Verhalten gegenüber den verschiedensten Typen von Menschen: über den Umgang mit Alten, Kindern, Eltern, Ehepartnern, Verliebten und Betrunkenen, Gaunern und Heuchlern, Künstlern und Schwärmern, Geistlichen, Lehrern, Ärzten, Juristen u.v.a.m. Das wichtigste Thema aber ist ihm der Umgang mit den hohen Herrn Fürsten und dort versucht er zu lehren, wie man auch als "kleiner Mann", wenn 's Not tut, einmal gekonnt, gefahrlos und stilvoll mit den Großen dieser Welt Schlitten fahren kann: "Man würde ungerecht handeln, wenn man behaupten wollte, alle Fürsten... hätten dieselben Fehler..., durch welche viele von ihnen ungesellig, kalt, unfähig zum echten Freundschaftsbande und schwer zu behandeln im Umgange werden; allein man versündigt sich wahrlich nicht, wenn man sagt, daß dies bei den mehrsten von ihnen der Fall ist... Sage diesen Leuten zuweilen einmal, doch ohne Hitze und Grobheit, die Wahrheit. Schlage ihre flachen, schiefen Urteile kaltblütig mit Gründen nieder, wo es nach den Umständen die Klugheit erlaubt. Stopfe ihnen das Maul, wenn sie den Redlichen lästern. Setze ihren Schleichwegen Mut, Tätigkeit und wahre Kraft entgegen!" Das Buch wurde in ganz Europa ein riesiger Erfolg, und auch die Obrigkeit nahm Notiz von dieser politisch in höchstem Maße
unbotmäßigen Schrift. Als Knigge dann nach 1789 auch noch als vehementer Verfechter der Französischen Revolution auftrat, wurde er immer mehr zum Opfer staatlicher Schikane und Verfolgung. Viele Verleger (nach seinem Tod vor allem auch seine eigene Tochter) begannen daraufhin, um den Verkaufserfolg nicht zu gefährden und der Zensur keinen Anlaß zu einem Verbot zu geben, den ursprünglichen Text zu entschärfen und ganze Passagen einfach umzuschreiben. Bis am Ende tatsächlich jene Benimmfibel stand, die Knigge's Absichten praktisch in ihr Gegenteil verkehrte und der er seinen zweifelhaften Nachruhm verdankt. Wüßte er, wozu heute sein guter Name zum Inbegriff geworden ist, nämlich ausgerechnet zum Synonym für steife, leblose Etikette, er würde sich im Grabe umdrehen und die Welt nicht mehr verstehen. Am 6. Mai 1796 stirbt Knigge, kaum 43jährig, verbraucht und aufgerieben von einem spannungsreichen und aufopferungsvollen Leben, in Bremen, wo er die letzten Jahre (als ein Radikaler im öffentlichen Dienst der Schulbehörde) verbracht hatte. Beigesetzt wurde der Leichnam des "Freien Herrn" im Dom der Freien und Hansestadt. Kurz vor seinem Tod erschien sein letztes Buch, ein zutiefst pessimistisches Resümee mit dem programmatischen Titel: "Über Undank und Eigennutz"!
Notabene:
Auch der Abschied Knigge’s vom Kreis der "Illuminaten" birgt einen interessanten Bezug hierher nach Neuwied. Der Hamburger G.E.Lessing-Verleger Johann Joachim Christoph Bode, der zusammen mit ihm für den Orden missioniert hatte, schilderte ihre fortschreitende Entfremdung und schließliche Feindschaft. In einer Knigge-Biographie (geschrieben von Wolfgang Fenner – in Band 10 der "Ausgewählten Werke" / Hannover 1996 – S.222f) lesen wir: "Bode notierte am 9. Juni 1784...: `Philo’s (LN: also Knigge’s) Tochter trägt das Ordensband vom heiligen Grabe... über dem Corset sogar...!´ und runzelte höchst bedenklich die Stirn über dessen Leichtsinn. Am nächsten Tag begannen die beiden dann über die genauen Austrittsmodalitäten zu verhandeln. Am Mittag des 12ten waren sie fertig. Knigge unterschrieb ein Revers, in dem er `unverbrüchliches Stillschweigen zu beobachten´ gelobte sowie die Rückgabe sämtlicher Ordenspapiere... Von Ordensseite wurde ihm im Gegenzug ein Zeugnis ausgestellt, mit dem ihm ein ehrenvoller Abgang verschafft werden sollte: `Nachdem der hochwürdige Bruder Philo, Herr Baron von Knigge, bei dem Orden der Illuminaten, theils wegen häuslicher, theils anderer triftiger Gründe wegen, um die Entlassung von seinen bis dahin geführten Ordens-Ämtern nachgesucht´, macht der Orden dies hiermit bekannt... Bode reiste danach durch die Pfalz und nach NEUWIED, wo der neue Nationalobere Johann Martin Graf zu Stolberg-Roßla (der Schwager des regierenden Grafen zu Wied – Ordensname `Campanella´) das Zeugnis am 1. Juli unterschrieb..."!